"Nochmals unter drei Stunden bleiben"
Der bekannte Lifetime-Läufer Peter Camenzind (70) startet beim Berlin Marathon vom 26. September mit einem ambitionierten Ziel, wie er Züri rännt Ende Juni in einem Interview erzählt hat.
Peter, am 8. Juli kannst Du den 70. Geburtstag feiern. Steht das Festprogramm schon oder lässt Du Dich überraschen?
Weder noch. Es war ja lange unklar, zu wievielt und wo man sich treffen darf. Darum habe ich mich dieses Jahr gegen ein Fest entschieden. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben…
Wie bist Du bislang durch die lange Zeit der Pandemie gekommen? Deine Altersgruppe gilt ja als Risikogruppe.
Ich bin grundsätzlich gut durch die Pandemie gekommen, nur der Kontakt zu meinen Kindern und den Enkelinnen und Enkeln, sowie das Reisen waren doch stark eingeschränkt. Und natürlich wäre ich als Kategoriejüngster gerne mal bei einem Rennen gestartet.
Kürzlich haben wir eine Rangliste gesehen vom 2. Züri Marathon vom April 1985, bei dem Du mit einer Zeit von 2:24 als 8. ins Ziel liefst. Das klingt nach einem ambitionierten Marathonläufer, wie bist Du zum Ultraläufer geworden?
Ja, ich war sicher ein ambitionierter Marathonläufer. Aber als Mitglied des Sihltaler Sportclubs kam ich fast bei jedem Training mit dem Thema Ultralauf in Berührung. Der damalige Vereinspräsident Peter Rupp gewann zu jener Zeit dreimal den Bieler Hunderter. Das inspirierte mich. Als ich 1987 mit meiner Marathon Bestzeit von 2.21.22 in der Schweizer Marathon Bestenliste nur auf Rang 22 landete, war für mich klar, wenn ich mal einen Siegerstrauss gewinnen will, muss ich dies über die langen Distanzen versuchen.
Die Sache mit dem Siegerstrauss hat dann gleich mehrfach geklappt. Zwischen 1990 und 1996 hast Du mit dem Swissalpine und dem 100 km Lauf in Biel zwei der damals bedeutendsten Ultraläufe je dreimal gewonnen. Was war die wichtigste Umstellung im Training, um solche Erfolge feiern zu können?
Die Länge der Trainingsläufe. In der Vorbereitung war ich nun bis zu 65 km unterwegs. Der Kopf gehört seit jeher zu meinen Stärken. Ich konnte daher mit dem Schmerz, wie er sich bei einem Ultralauf einstellt, recht gut umgehen. Und daneben habe ich weiterhin an der Schnelligkeit gearbeitet. So war ich in Biel jeweils der schnellste Marathonläufer am Start.
In jener Zeit galten Ultraläufer teils noch als Verrückte und die Inszenierung in den Sozialen Medien war noch weit weg. In welcher Form hast Du damals Anerkennung für Deine sportlichen Leistungen erhalten?
Vielleicht gerade, weil wir als Verrückte galten, berichteten das Schweizer Fernsehen und die grossen Tageszeitungen jeweils ausführlich über den Swissalpine und den Bieler 100 km Lauf. Auch der kürzlich pensionierte SRF Reporter Bernie Schär und diverse Lokalradios waren immer vor Ort. Die Anerkennung hat diesbezüglich also nicht gefehlt.
Du warst als Montageleiter und Familienvater zu 100 Prozent Amateursportler. Heute vermarkten sich immer mehr Ultraläufer so geschickt, dass sie als Profis oder Halbprofis leben können. Wie stehst Du zu dieser Entwicklung?
Natürlich könnte es einem wurmen, dass die Pioniere in dieser Sportart oft nur den berühmten Handschlag und vielleicht einen Blumenstrauss bekamen, aber ich hadere nicht. Es passt und ich bin mit mir im Reinen.
Eindrücklich sind nicht nur Deine Erfolge in der Vergangenheit, sondern vor allem auch wie Du als älter werdender Läufer neue Ziele gefunden hast und etwa mit Alterklassensiegen beim New York City Marathon bis heute erfolgreich bist. Was ist Dein Leitmotiv als Lifetime Läufer?
Ich versuche bis heute ans Limit zu gehen - auch im Training. Wenn ich dann sehe, dass ich auch auf grossen Bühnen bestehen kann, ist dies die Motivation, weiterhin hart zu trainieren. «Nie verbissen, aber immer zielgerichtet», lautet das Motto.
Wir haben den Swissalpine und den Bieler Hunderter erwähnt, doch Dein eigentlicher Lieblingslauf ist der Comrades in Südafrika, den Du bereits 12 Mal gefinisht hast. Wie kam es zu dieser Passion?
Durch die Erfolge bei den Ultraläufen in der Schweiz bekam ich eine Einladung zum Comrades, der weltweit als grösster und bekanntester Ultralauf gilt. Mein erster Start war zwar wegen Magenproblemen ein Missererfolg, doch die Faszination für diesen Lauf mit Volksfestcharakter war geweckt und ist bis heute ungebrochen. Zuhause erzählte ich Markus Roth von Albis Reisen vom Comrades. Seither organisiert Albis Reisen jährlich eine Laufreise dorthin. 1994 gelang mir beim Comrades mit dem 4. Gesamtrang ein Spitzenresultat. 1997 war zum Voraus bekannt, dass Nelson Mandela bei der Siegerehrung anwesend sein würde. Eine besondere Motivation. Am Ziel war ich dann Gesamtneunter und Erster der Veteranen, so dass ich das grosse Glück hatte, gleich zweimal von Nelson Mandela geehrt zu werden. Ich werde nie vergessen, welche Wärme dieser grossartige Mensch ausstrahlte. Bis heute fühle ich eine tiefe Dankbarkeit dafür, dass ich dank meines Sportes eine solche Begegnung erleben durfte.
Bald sind wieder vermehrt Laufveranstaltungen möglich. Wann ist Dein nächster Start geplant?
Ich bin für den Berlin Marathon vom 26. September 2021 angemeldet. Dort möchte ich noch einmal eine Marathonzeit unter drei Stunden erreichen. Dafür muss natürlich alles stimmen.
Wir drücken fürs hohe Ziel die Daumen und danken Dir für Deinen grossen Beitrag für eine lebendige, erfolgreiche Volkslaufszene!
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Hans Peter
30.07.2021 20:24 Uhr